Am Riebeckplatz in Halle (Saale) wurde am 3. Dezember 2020 durch die Polizeiinspektion Halle eine sogenannte „Waffenverbotszone“ (WVZ) eingerichtet. Sie wurde am 15. Dezember 2020 im Amtsblatt verkündet. In Magdeburg trat die Verordnung einer WVZ rund um den Hauptbahnhof am 1. Dezember 2021 in Kraft.

Wir finden, der Name Waffenverbotszone ist zutiefst irreführend, da er suggeriert, dass überall sonst Waffen getragen werden dürften. In den wenigsten Fällen ist jedoch ein Tragen von Waffen erlaubt. Im Vordergrund stehen vielmehr rechtlich bedenkliche Maßnahmen, die nachfolgend beleuchtet werden sollen.

1. Was ist eine Waffenverbotszone?

Eine WVZ ist ein (räumlich begrenzter) Bereich, in dem das Führen von Waffen und Messern verboten ist. Darunter fallen auch Alltagsgegenstände wie Taschen- oder Brotmesser. Diese dürfen nach einer Ausnahmeregelung nur dann bei sich geführt werden, wenn sie nicht griffbereit sind (z.B. tief im Rucksack).

Eine WVZ enthält in Sachsen-Anhalt also quasi „nur“ einen Ordnungswidrigkeitstatbestand. Danach begehen Personen eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie sich an diesem bestimmten Ort mit einer Waffe aufhalten.

Wer unerlaubt Waffen besitzt oder mit sich führt, kann aber unabhängig von WVZ sanktioniert werden (§§ 51, 52, 53 Waffengesetz). Damit liegt die Neuerung von WVZs vor allem in dem Verbot von Alltagsgegenständen wie Taschenmesser, sowie in der symbolischen Bezeichnung und Kennzeichnung eines öffentlichen Ortes als „Waffenverbotszone“.

Wichtig ist auch der Charakter der genannten Ordnungswidrigkeiten. Denn es handelt sich um ein sogenanntes Kontrolldelikt, welches erst dann entdeckt wird (und somit erst dann in die Kriminalitätsstatistik einfließt), wenn eine Kontrolle zu dem Fund eines Messers o.ä. führt. Bei sog. Anzeigedelikten ist dies z. B. nur durch das Zutun einer anderen Person möglich. Die Polizei kann somit erheblich durch eigenes Kontrollverhalten die Kriminalitätsstatistik beeinflussen. Wir nennen das selbstlegitimierende Polizeipraxis, was rechtlich bedenklich ist.

2. Wer entscheidet über den Erlass einer Waffenverbotszone?

Die gesetzliche Grundlage für den Erlass einer WVZ findet sich in einem Bundesgesetz, nämlich dem Waffengesetz. Diese Kompetenz wurde zunächst vom Bund auf die Länder, und anschließend vom Land Sachsen-Anhalt auf die jeweiligen Polizeiinspektionen in Halle und Magdeburg delegiert. Die Polizeiinspektion ist folge dazu ermächtigt worden, nach eigenem Ermessen WVZs zu erlassen. Dies ist aus demokratischen und rechtsstaatlichen Gesichtspunkten problematisch. Zum Beispiel, weil kein öffentlicher Austausch über den Nutzen und die Auswirkungen stattfindet und die Polizei ohne Kontrolle beliebig ihre Instrumente ausweiten kann.

3. Wie wird eine Waffenverbotszone errichtet?

Zur Errichtung einer WVZ bedarf es mehrerer Grundlagen.

Zunächst darf die Polizeiinspektion nicht willkürlich WVZ einrichten. Dafür müssen nach dem Waffengesetz bestimmte Voraussetzungen an dem jeweiligen Ort erfüllt sein. Im Groben lassen sich zwei Voraussetzungen festmachen:

  • Zum einen müssen in der Vergangenheit an diesem Ort überproportional viele Straftaten mit Waffen oder sonstige schwere Straftaten (z. B. Körperverletzung, Sexualstraftaten, Tötungsdelikte) begangen worden sein,
  • Zum anderen muss auch in Zukunft mit vermehrten Straftaten dieser Art gerechnet werden (Gefahrenprognose).

Wenn die Voraussetzungen vorliegen müssen die zuständigen Polizeiinspektionen aber immer noch eine eigene Ermessensentscheidung über die Errichtung einer WVZ treffen. Denn es besteht keine Pflicht dazu

4. Seit wann und wie lange gelten Waffenverbotszonen?

Die WVZ am Riebeckplatz in Halle trat am 15. Dezember 2020 in Kraft. In Magdeburg trat die Verordnung einer WVZ rund um den Hauptbahnhof am 1. Dezember 2021 in Kraft. Sie sind zeitlich jedoch nicht befristet. Dies ist für Polizeiverordnungen ungewöhnlich und rechtsstaatlich bedenklich, weshalb dies auch ein Kritikpunkt von uns ist.

5. Wie werden die Regelungen der Waffenverbotszonen kontrolliert?

Ein Verbot zum Mitführen von Waffen ergibt erst dann Sinn, wenn es auch durchgesetzt werden kann. Anders gesagt, zur Durchsetzung der WVZ müssen Polizeibeamt*innen auch befugt sein, Passant*innen zu kontrollieren. Die WVZ enthält jedoch gerade keine solche Befugnis, sodass nur auf das allgemeine Polizeigesetz in Sachsen-Anhalt zurückgegriffen werden kann. In welchen Fällen die Polizei eine Person durchsuchen darf, steht in Paragraf 41 SOG LSA (Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt). In Absatz 2 Nummer 2 verweist diese Norm auf Paragraf 20 Absatz 2 Nummer 1 SOG LSA. In dieser Norm sind Orte aufgelistet, an denen Personen unabhängig von einem Verdachtsfall o. Ä. durchsucht werden dürfen. WVZs werden darin nicht aufgelistet, dafür aber sog. „gefährliche Orte“. Das heißt, dass WVZs gerade nur in Verbindung mit gefährlichen Orten durchgesetzt werden können, was häufig von Presse und Polizist*innen selbst verkannt wird.

6. Was sind „gefährliche Orte“?

„Gefährliche Orte“ sind Orte, an denen man aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte erfahrungsgemäß annehmen kann, dass dort Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben, oder sich Straftäter*innen verbergen. Kurzum ermöglichen „gefährliche Orte“ polizeiliche Maßnahmen gegen eine Person ohne das Bestehen eines konkreten Tatverdachts. Diese „gefährlichen Orte“ werden intern von der Polizei festgelegt und nicht veröffentlicht. Das heißt, dass man als Passant*in gar keine Ahnung hat, dass man sich gerade an einem Ort befindet, wo man ohne Anlass von der Polizei durchsucht werden darf.

Der Riebeckplatz in Halle und das Gebiet um den Hauptbahnhof in Magdeburg waren schon vor der Errichtung der WVZ „gefährliche Orte“.

7. Ist die Waffenverbotszone rechtswidrig?

Es gilt grundsätzlich im Recht, dass jedes staatliche Handeln immer vereinbar mit den Grundrechten im Grundgesetz sein muss. Wenn die Polizeiinspektion eine WVZ errichtet, so ist sie auch immer zur Einhaltung der Grundrechte verpflichtet. Tut sie dies nicht, so handelt sie rechtswidrig. Ob ein Eingriff in die Grundrechte rechtmäßig ist, wird nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestimmt. Dazu kommen Rechtsprinzipien, die ebenfalls nicht verletzt werden dürfen, so z.B. das Demokratie- oder Rechtsstaatsprinzip.

Unter der Verhältnismäßigkeit prüft man juristisch, ob die Maßnahme einen legitimen Zweck verfolgt, und dabei sowohl geeignet als auch erforderlich zur Zweckerreichung ist. Schließlich muss eine abschließende Abwägung auch ergeben, dass die Maßnahme nicht unangemessen in betroffene Grundrechte eingreift.

Vorrangig wird als Zweck die „Kriminalitätsbekämpfung“ und Steigerung des Sicherheitsgefühls von den Behörden angegeben. Dagegen richten wir uns auch gar nicht. Wir behaupten allerdings, dass sich WVZs nicht dafür eignen, diese Ziele zu erreichen. Insbesondere die Polizei ignoriert hier wissenschaftliche Erkenntnisse zur Entstehung und Prävention von „Kriminalität“ und zu den Faktoren eines subjektiven Sicherheitsempfindens von Stadtbewohner*innen.

Dies belegt auch eine unabhängige Evaluation der Leipziger WVZ in der Eisenbahnstraße. Es kam hier lediglich zu einer Verschiebung und Verdrängung von Straftaten. Des Weiteren trug sie sogar zu einer Verschlechterung des Sicherheitsgefühls bei, insbesondere bei marginalisierten Gruppen. Die Kriminologie und Soziologie zeigen, dass „Kriminalität“ effektiver durch Aufklärung und sozialintegrative Maßnahmen als durch Abschreckung und Polizeipräsenz bekämpft werden kann. Gleichzeitig greifen WVZs in die Grundrechte einer hohen Anzahl an Personen ein und führen zu einem erhöhten Risiko verfassungswidriger Polizeipraktiken, wie z. B. Racial Profiling.

Dies alles macht eine WVZ aus unserer Sicht zu einer unverhältnismäßigen Maßnahme und damit rechtswidrig. Problematisch ist darüber hinaus aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit die intransparente Verknüpfung von verschiedenen Polizeiinstrumenten („gefährliche“ Orte und WVZs), die

  • verschleiert, auf welcher Norm der Eingriff beruht,
  • undemokratisch bestimmte Orte einseitig als „gefährliche Orte“ einstuft,
  • keinerlei gerichtliche oder öffentliche Auseinandersetzung ermöglicht,
  • die Polizei zur alleinigen Akteurin der vermeintlichen „Kriminalitätsbekämpfung“ macht und
  • ihr ebenfalls die selbstlegitimierende Beeinflussung der Kriminalitätsstatistik überlässt.

8. Unser Fazit

Wir sagen: Die Waffenverbotszone verfehlt ihren vorgeblichen Zweck. Die Errichtung einer WVZ führt weder zu einer Unterbindung von Straftaten, noch bekämpft sie Kriminalität. Vielmehr verdrängt sie Straftaten in andere Teile der Stadt. In ihr liegt auch der Grund einer sich stets selbst legitimierenden Polizeipraxis ohne öffentliche Kontrollmöglichkeit, die Kriminalitätsstatistiken nach Belieben für eigene Zwecke instrumentalisiert.

Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Errichtung einer WVZ sind nicht gegeben. Vielmehr bietet sie in Verbindung mit den sog. „gefährlichen Orten“ der Polizei unnötig viele Eingriffsbefugnisse und führt so zu unverhältnismäßigen Grundrechtsbeeinträchtigungen der Bürger*innen. Zudem steigt die Gefahr für diskriminierende Polizeipraktiken wie Racial Profiling.