10 Kritikpunkte gegen Waffenverbotszonen und den Ausbau der Polizeibefugnisse
1. Gegen den autoritären Rechtsruck in Staat und Gesellschaft
Die Waffenverbotszone (WVZ) ist die Antwort auf die mit Ängsten aufgeladene Erzählung einer besonderen „Gefährlichkeit“ von Orten an denen viele Menschen aufeinandertreffen. Beispielsweise der Magdeburger oder Hallesche Bahnhofsvorplatz, dem Riebeckplatz in Halle oder dem Magdeburger Hasselbachplatz. Immer wieder werden „Sicherheitsproblematiken“ mit rassistischer Stimmungsmache gegen Geflüchtete und Migrant*innen verknüpft, während die sozialen und ökonomischen Hintergründe von Kriminalität verschleiert werden. Die Konstruktion von „Gefährlichkeit“ dient somit als Legitimationsgrundlage für die Einführung und Normalisierung schärferer staatlicher Überwachungsmaßnahmen, dem Abbau von Rechtsstaatlichkeit und grundrechtswidriger Kontrollpraktiken.
2. Verfassungswidrige Rechtsgrundlage der „Gefährlichen Orte“ aus dem Polizeigesetz streichen
Die Eingriffsbefugnis der Polizei zu verdachtsunabhängigen Kontrollen gründet sich in der juristischen Einstufung des Hauptbahnhofs in Magdeburg, des Riebeckplatzes in Halle und des Hasselbachplatzes in Magdeburg als „Gefährlicher Ort“. Diese Einstufung liegt ganz im Ermessen der Polizei und ist weder nachvollziehbar noch gerichtlich angreifbar. Damit sind die Menschen der Definitionshoheit der Polizei ausgeliefert. Diese Qualität von Grundrechtseingriffen wird rechtsstaatlichen Ansprüchen nicht gerecht. Außerdem wird die „Suche nach Personen ohne Aufenthaltstitel“ ermöglicht, was einen Freifahrtschein für Racial Profiling darstellt.
3. Die diskriminierende Kontrollpraxis der Polizei beenden
Bei einer „verdachtsunabhängigen Kontrolle“ bedient sich die Polizei bestimmter Muster, um „effizient“ agieren zu können. Dabei bedient sie sich – bewusst oder unbewusst – Stereotypen von „kriminellen Menschen“, um ihre Kontrollpraxis zu rechtfertigen. Die Anknüpfung an das Aussehen, wie Hautfarbe, vermeintliche Herkunft oder Religion (Racial Profiling), sowie unterstellte Armut oder Drogenkonsum ist unzulässig und doch gängige Praxis. Zudem handelt es sich bei den einschlägigen Ordnungswidrigkeiten in der Waffenverbotszone um sogenannte Kontrolldelikte, d. h. sie treten erst durch eine „verdachtsunabhängige“ Kontrolle überhaupt zu Tage und fließen in die Kriminalitätsstatistik mit ein. So schafft die Polizei sich selbstlegitimierend ihre eigene Statistik und beeinflusst sie ebenfalls durch ein von den diskriminierenden Stereotypen geleitetes Kontrollverhalten. Die Polizei sorgt also nicht für soziale Sicherheit, sondern erfüllt lediglich die Funktion, die bestehenden Macht- und Eigentumsverhältnisse in der bürgerlichen Ordnung zu sichern.
4. Das rechtswidrige Verhalten der Polizei muss aufhören – gegen jede Form von Polizeigewalt
Auch ist immer wieder zu beobachten, dass Polizist*innen bei den Kontrollen äußerst gewaltsam vorgehen. Von Polizeigewalt sind hierbei vor allen marginalisierte bzw. vulnerable Personengruppen wie rassifizierte Menschen, wohnungslose Menschen, Flinta*s etc. betroffen.
5. Schluss mit unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffen
Wir halten die Verordnung zur Waffenverbotszone und die Ausweisung als „Gefährliche Orte“ für unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig! Sofern ein legitimes Ziel, die Verhinderung der viel beschworenen „Gewaltkriminalität“, vorliegt, erweist sich eine höhere Kontrolldichte und Androhung von Strafe als ungeeignetes Mittel. Eine Evaluation der WVZ in der Leipziger Eisenbahnstraße (https://copwatchleipzig.home.blog/evaluation-der-wvz/) konnte belegen, dass der enorme Aufwand, den die Polizei dort betrieben hat, um „Waffen“ und „gefährliche Gegenstände“ zu finden, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle (ca. 96 Prozent) erfolglos geblieben ist. Die allermeisten Funde waren Alltagsgegenstände, die aufgrund der weiten Definition von „gefährlichen Gegenständen“ sanktioniert wurden. Aufgrund der hohen Streubreite der Grundrechtseingriffe (viele Unschuldige sind betroffen) erscheint dieses Mittel demnach ebenfalls als unangemessen.
6. Keine Verdrängung marginalisierter Gruppen von öffentlichen Orten
Besonders für rassifizierte und wohnungslose Menschen werden die so genannten „Gefährlichen Orte“ und Waffenverbotszonen zum Ort der allgegenwärtigen Gefahr einer Polizeikontrolle und den repressiven Folgen: Sie werden so in andere Viertel oder an weniger sichtbare Orte verdrängt, in denen für sie erfahrbare Gewalt und Diskriminierung meist ungesehen bleibt.
7. Soziale Strukturen brauchen öffentliche Orte – wir fordern Städte für alle
Waffenverbotszonen bzw. die omnipräsente diskriminierende Polizeipraxis sorgen mit ihrer stigmatisierenden Wirkung dafür, dass Menschen nicht mehr an sozialen und kulturellen Projekten im öffentlichen Raum partizipieren. Entweder aus Angst vor den angeblich „Kriminellen“ oder vor der Polizei. Dies betrifft vor allem Angebote für Kinder, Jugendliche und ältere Menschen.
8. Keine Täter*in-Opfer-Umkehr – für die Möglichkeit zur Selbstverteidigung
Wir wollen die Augen nicht verschließen: Diskriminierende Übergriffe passieren tagtäglich, ob in Form von Catcalling, rassistischer Übergriffe, oder anderen diskriminierenden Praktiken – auch an sog. „Gefährlichen Orten“ und Waffenverbotszonen. Viele Betroffene haben dabei Erfahrungen mit dem Hinzurufen der Polizei gemacht, die von ihnen als nicht hilfreich, der jeweiligen Situation unangemessen oder gar gewaltförmig und diskriminierend wahrgenommen wurden. Durch das Verbot von Pfefferspray in der WVZ wird es vielen von Gewalt bedrohten Personen verunmöglicht sich selbst zu verteidigen. Dies erhöht ihr Unsicherheitsgefühl ungemein, da sie von Opfern zu Täter*innen gemacht werden.
9. Soziale Lösungen für soziale Probleme
Problematiken und Konflikte an öffentlichen Orten müssen auf sozial vielfältige, langfristige und nachhaltige Weise angegangen werden, um nicht bei bloßer Phänomenbekämpfung zu verharren und damit Folgeprobleme zu erzeugen. Priorität sollte auf der Stärkung sozialer, kultureller und selbstorganisierter Projekte liegen, indem diesen Planungssicherheiten, Räume und Kapazitäten ermöglicht werden. Soziale Lösungsansätze für Probleme wie Armut, Substanzabhängigkeit und Wohnungslosigkeit sind die Grundlage für eine soziale Sicherheit, welche Kriminalität grundlegender vorzubeugen vermag. Wir fordern daher mehr Anlaufstellen für Betroffene von Gewalt, sozialen Wohnungsbau und kostenlose Unterkünfte für Wohnungslose. Zusätzlich fordern wir Einrichtungen akzeptierender Sozialarbeit.
10. Gesamtkonzept für soziale Sicherheit statt polizeilicher Verfolgung
Das Einzige, was die bisherigen Erfahrungen mit WVZ in anderen Bundesländern (z. B. Sachsen) klar gezeigt haben, ist, dass die autoritäre Bearbeitung sozialer Probleme die Lage nicht verbessert, sondern vielmehr verschlimmert oder verdrängt. Um das Sicherheitsgefühl der Menschen zu erhöhen, hilft es nicht, die Polizeipräsenz immer weiter auszuweiten und die Beamt*innen systematisch Grundrechtsbrüche vollziehen zu lassen. Wir möchten einen Dialog darüber anstoßen, was tatsächliche Bedarfe aller Menschen an öffentlichen Orten sind.